„Wofür soll ich danken? Für meinen Erfolg? Mir ist nichts zugefallen, einfach in den Schoß, für alles habe ich bezahlt und hart dafür gearbeitet. Dass ich heute gut dastehe, ist mein Verdienst und ganzer Stolz.“[1] Diese Aussage eines Zeitgenossen, die stellvertretend für viele ähnliche steht, gibt uns zu denken: Man erkennt offensichtlich nicht (mehr), dass hinter allem Erfolg und aller Ernte die Güte unseres himmlischen Vaters steht. Ist Erntedank ein vergessenes Fest?
Der erste Erntedank
Die Bibel berichtet vom ersten Erntedank im Zusammenhang mit dem Brudermord Kains an Abel. Beide hatten von ihren Erstlingen geopfert: Der eine von seiner Herde, der andere von den Früchten des Feldes (worin man nichts Geringeres erblicken darf als im Opfer der Erstlinge der Herde!).
Laubhüttenfest
Für die Zeit Moses wird vom Laubhüttenfest der Israeliten erzählt (vgl. 2. Mose 23,16). Ursprünglich in der Wüste beim Auszug aus Ägypten gefeiert, wird dieses Fest während der Zeit des Tempels – also von König Salomo bis in die Zeit Jesu hinein – zu einem Wallfahrtsfest. Man pilgert Psalmen singend nach Jerusalem zum Tempel, um dort Opfer zu bringen.
Ursprünge im Christentum
Die christliche Kirche feiert Erntedank etwa seit dem 3. Jahrhundert, auch, weil man sich gegen heidnische Erntedankfeste der Römer abgrenzen will. In Deutschland wird das Erntedankfest während des Mittelalters heimisch, die Reformatoren behalten es bei. Je nach Landschaft wird das Fest Ende September (um den 29. September, dem Michaeli-Tag, herum) nach der Kornernte oder später im November (Martinstag!) nach der Traubenlese gefeiert; einen festen Zeitpunkt gibt es also nicht, das Fest ist auch kein Bestandteil des Kirchenjahres, da es keine heilsgeschichtliche Bedeutung hat.
Bedeutung des Erntedanks für uns
Soweit die Geschichte. Heute, wo nur wenige Erwerbstätige von der Ernte abhängen, verschiebt sich die Bedeutung des Erntedanks: Wir danken nicht nur für die erfolgreiche Ernte, sondern für alle Gaben, die der Herr in seiner Güte für uns bereithält. Wir blicken dabei besonders dankbar auf die Schöpfung und loben und preisen Gott als den Schöpfer. Im Hintergrund steht die Erkenntnis, dass unserer Hände Arbeit nicht selbstverständlich ist und wir für unser Wohlergehen im Grunde genommen nichts können; alles kommt aus der Gnade Gottes. Der Herr ist auch Garant dafür, dass wir Gaben empfangen dürfen und dass wir dafür dankbar sein können. Denn am Ende der Sintflut, als Noah dem Herrn ein Opfer brachte, sprach Gott zu Noah: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (1. Mose 8,22). Dürfen wir nicht folglich auch für den Erfolg in Schule, Beruf oder im Privaten dem Herrn dankbar sein? Ich glaube, wir können diese Frage guten Gewissens mit: „Ja!“ beantworten.
[1] Beutler-Lotz, Heinz-Günter, Sprechszene: Wofür soll ich danken?, in: Erntedank. Vom Denken und Danken, Hg. von Hans Jürgen Milchner, Göttingen 1993, S. 74.